Exclusive-Life driven by exception

McLaren 720 S Spider

thin

Fahrbericht McLaren 720 S Spider – Die Frage nach der Power

Ein wenig religiös könnte es werden. Das Thema Limit spielt dann doch eine Rolle und die Frage, was man mit 720 PS in die Prärie anfangen soll. John Wayne hatte nur ein PS, dafür einen Colt und eine sehr coole Synchronstimme. Der 720S Spider ist da anders gestrickt.

Automobile wie ein McLaren lassen viel Raum für Geschichten. Drumherum oder mittendurch. Man trifft immer den Punkt, weil es so viele gibt. In Arizona stehen drei 720S Spider vor dem Salon. Ein blauer, ein goldener und ein silberner. Wir nehmen silber, weil es so schön glänzt und an die gute alte Zeit erinnert. Einer Ritterrüstung gleich, das Carbon verschwindet unter dem Schimmer. Die Leute hier sollen ruhig sehen, wie man Carbon besonders cool aussehen lassen kann. Abgesehen davon sind Comic-Verfilmungen ja gerade en voque. Silver Spider oder so. 


Auf rund 350 Kilometern darf der silberne Brite seine innere Ruhe und seine Komfort-Zonen-Tauglichkeit vorführen. Also Dach über den Kopf, das dauert gerade mal elf Sekunden, dann das Glas mittels Schalter gedimmt. Das Navi, ein wirklich schnelles Teil, ist eingerichtet. Der Sound kann sich mehr als hören lassen, obwohl man geneigt ist die kleine Glasscheibe hinter den Sitzen nach unten zu fahren. Der V8 plus Auspuff entwickelt schon einen eindrucksvollen Sound, nur eben sitzt da kein Ensemble, dass uns eine italienische Oper serviert, also Held und Heldin im ewigen Kampf gegen das Böse oder so. 


Der Brite ist da eher auf das Momentum ausgerichtet, er schickt mehr Ton hinaus, wenn der Gasfuß das Gaspedal darnieder ringt und dieses irgendwann am Bodenblech schnuppert. Das dauert leider nur kurze Zeit, weil der Spider in rund 2,9 Sekunden 60 Meilen pro Stunde erreicht und damit das örtliche Tempolimit erklommen hat. In Arizona wird per Flugzeug gemessen und die Jungs hier schicken dich schneller in den Knast als du „ich war´s nicht“ sagen kannst. Was automatisch zu einer leicht kommoden Fahrweise sorgt. Es sei denn urplötzlich taucht eine feine, kleine Nebenstrasse auf, die mit schicken Kurven, längeren Geraden dazwischen und einer gegen Null tendierenden Wahrscheinlichkeit lockt, von irgendeinem Polizist überwacht zu werden. 

Sowas passiert. Da sitzt man in einem 720 PS Supersportler, das Dach ruht hinter dir und die Strasse vor liegt wie hingemalt. Zuerst ein paar hundert Meter den Weg erkunden, auf dem Monitor sieht´s aus, als hätte jemand mit dem Asphaltwagen eine kleine Strecke hingelegt, du fährst zurück, 180 Grad Drehung, erster Gang und der silberne Racer macht sich auf den Weg. Das Gaspedal nach unten, beide Hände am Steuer, der V8 brüllt los und das Getriebe tut das, was sehr, sehr gute Getriebe so tun. Sie sorgen dafür, dass die Gänge im Eiltempo durch die Gegend diffundieren, also da sind und wieder verschwinden. 1, 2, 3 und wieder zurück. Bäng, bäng, bäng. Die kurzen Schläge ins Kreuz sind harmlos, nur als Signal, falls man den Drehzahlanzeiger nicht registriert, dessen Nadel rauf und runter läuft, als wäre das Ding völlig verrückt geworden. Vor Freude. 


Der Motor liefert und liefert, die Pirelli P Zero mögen die Fahrbahn nicht, sie lieben sie. Die Lenkung ist so richtig bei der Sache, also heftig präzise. Und dann die Bremsen. Rums, steht der Silberling. Sechs mal rauf, sechs mal runter. Der Spaß wird immer besser, das Zusammenspiel der Abteilungen würde jedem Firmenchef Tränen der Rührung in die Augen treiben. Irgendwann ist Pause. Für die Reifen, die Bremsen, die beiden Fahrer. Und falls jemand aus der Entfernung den Spaß mit angehört und die Polizei verständigt hat. Zu spät.


Die restlichen Meilen sitzt man in diesem sehr exklusiven, extraordinären und sehr, sehr schnellen silbernen McLaren und erfreut sich an der Erfahrung, dem Fahrgefühl, dem sportlichen Komfort und der Gewissheit, dass ein McLaren nicht nur auf der deutschen Autobahn so richtig aus sich rausgehen kann. Er kann Cruisen, beeindrucken, seine Power auf verschiedenen Wegen ausleben, lässig an Ampeln stehen und ein kleines, fast lautlosen Schauspiel abliefern. Dach ab, Dach auf. 




Fotos: McLaren