Exclusive-Life driven by exception
Fahrbericht BMW 507 – Des Grafen bestes Stück
Wir haben ihn nicht bewegt. Er hat uns bewegt. Gleich zweimal sassen wir drin. Und mehrfach haben wir ihn umrundet, die Linien mit den Händen nachgezogen. Das Lenkrad umfasst, den Schalthebel nach oben und unten bewegt und diesen wunderbaren V8-Sound genossen.
Ob die Leute bei BMW heute noch öfter mal ins Museum schauen, ist fraglich. Vielleicht doch, aber der Funke springt nicht mehr über. Beim Anblick des filigranen 507 sollte der Zeichenstift doch fast von selbst über das Papier laufen und sich jeder Form von Klumpenbildung verweigern. Und wenn die Leute von BMW dann sogar mal in dieses riesige, weiße, mondäne Volant greifen würden, dann käme ihnen nahezu jeder neuzeitliche BMW vor, wie ein Ignorant.
Man kann die mehr als zwei Millionen, die dieser BMW heute kosten kann, schnell vergessen. Zu stark ist die Aura, die Strahkraft dieses Wagens. Zu stark die emotionale Wirkung dieses Roadster, der im Stand eher Skulptur und in Bewegung eher Superstar ist. Und das ohne eine Jury, wobei der 507 eine ganze Kompanie an Pokalen gewonnen hat. Schönheitswettbewerbe en masse. Schon damals, als er Mitte der 50er, im Kopf des Industriedesigners Albrecht Graf Goerz Form annahm und die Sache klar war. Eine Alternative zum mondänen 300 SL Roadster und zum starken California Spider von Ferrari sollte er werden. Offene Hypercars würde man heute schreiben. Nur damals richtete die Autowelt ihren Fokus auf die USA. Ost- und vor allem Westküsten-Bewohner mit tiefen Taschen sollten animiert werden. 254 des 507 wurden gebaut, die meisten sind noch heute irgendwo unterwegs oder sie stehen in Sammler-Garagen herum. Auf Augenpaare wartend, die die Idee einer Ausfahrt in diesem Schmuckstück durch den Kopf laufen lassen und sich vorstellen, dass der Mensch für eine solche Ausfahrt dem Anlass entsprechend gekleidet sein müsse. Die Dame mit feinem Kopftuch, der Herr mit diesen Handschuhen in bestem Leder, die mit dem Knöchelausguck. Vielleicht noch ein Sommerkleid, falls man den Wagen einmal verlassen will und der Herr mit Sportjackett und Rahmengenähte. Solche Gedankenspiele sind gegenwärtig in zeitgenössischen Automobilen eher außerhalb der Marken BMW, Mercedes-Benz oder Audi zu finden. Rolls-Royce fällt uns ein oder auch Bentley und Aston Martin.
Es sind die Details, die Rückleuchten, die Kiemen an der Seite, das gesamte Instrumentarium, das Volant aus Bakelit und natürlich dieser Hüftschwung, dessen Rhythmus man von vorn bis hinten folgt und unweigerlich an Worte wie Anmut, Erotik oder auch Weiblichkeit denken kann. Selbst die Stahlfelgen, seit vielen Jahren nur noch für den Winter-Wagen denkbar, schmücken den Klassiker.
Dann öffnet sich die Tür, Sitze ohne einen Ansatz von Seitenhalt, kein Mucks von Stellmotoren, keine Idee von Massage, Heizung oder Gebläse. der Hintern legt sich ab, der Rücken lehnt sich an, per Muskelkraft bewegt sich der Stuhl nach vorn, bis zehn Finger das schlanke Rund umarmen und der Mensch seinen Augen freien Lauf läßt und ihnen erstmal nicht über den Weg trauen will, weil wir im Jahr 2022 völlig andere Erwartungen an ein Automobil in uns tragen. Konditioniert auf ein Heer von Sensoren, Chips und Monitore. Mechanik als „Old School“-Technik und die Zeigefinger spielen auf den Sensorien sprechenden Knöpfen und Walzen. Das Volant des 507 ist leer, clean, sauber und nur zwei Aufgaben gewidmet: die vorderen Räder vertikal bewegen und, als Teil des Ganzen, die Augen und Hände entführen. Das Radio, so groß wie ein Handschuhfach, kann unterhalten und informieren. Mehr nicht. Abgesehen davon bleibt der Empfänger erstmal ruhig.
Wir starten den V8 und lauschen.
Den Wahlhebel behutsam nach unten bewegen, es ruckt, weil die Zahnräder im Getriebe zueinander gefunden haben und die Kraft des Motors nun den Wagen nach vorn drücken will, der Bremsfuß hebt sich und wir rollen. Sachte, vorsichtig, fast andächtig lassen wir den Klassiker seine Ruhe. Vorbei die Zeiten, in denen ein Motor mitsamt aller Flüssigkeiten erwärmt werden musste. Heute springt man in den Wagen wie einst ein Sascha und ab dafür. Der 507 ist da eine andere Kategorie. Er ist der sportliche Smoking, den man trägt und auch irgendwie präsentiert. Der Wagen ist Bühne und Hauptdarsteller. Die Hände umarmen das Lenkrad, bewegen es mit Bedacht, auch weil das Spiel einen deutlichen Tick mehr Bewegung erfordert und man eh so vorausschauend unterwegs ist, wie irgend möglich. Was dazu führt, dass der Wagen dann rechts auf die Hauptstraße abbiegen soll und jedes noch so weit entfernte Auto als potenzielles Desaster erkannt wird. Wir sitzen also drin im Traum von der Isar, der Wind spielt mit unserem Resthaar, Leute schauen uns an, die uns sonst niemals bemerkt hätten. Jede Anfahrt ist ein kleines Spiel mit der Mechanik. Niemand soll erkenne, dass wir Neulinge sind im Spiel mit den Fertigkeiten, die diesem Roadster eingebaut wurden. Wobei Roadster nicht ganz den Kern des 507 treffen kann, Cabriolet wäre deutlich näher an den Talenten des Bayern. Er rollt, kann auf Geraden recht dynamisch nach vorn rennen und in Kurven tanz er gerne den Walzer und weniger den den Tango.
Man gewöhnt sich aneinander. Das Lenk- und Bremsspiel. Die Federung ist spezialisiert auf ruhige Momente. Der Motor kümmert sich souverän um Vortrieb und er achtet dabei sorgsam auf seine Insassen. Der Mensch gleitet sportlich dahin, Sprints aus der Hüfte sind seine Sache nicht. Dafür erklingt aus der Abgasanlage ein sportliches und manchmal auch kehliges Liedchen. Was hier und da zu motivierten Einlagen des rechten Fusses führt und die Realität holt uns dann wieder ein. Der 507 ist ein Charmeur alter Schule. Sportlich, elegant und irgendwie immer diesen berühmten Tick mondäner als alle Neuwagen zusammen.
Fotos: BMW Classic